Retraumatisierung durch Corona

Die weitreichenden Einschränkungen während der Coronazeit waren für mich und andere traumatisch vorbelastete Menschen außerordentlich schwer. Auch wenn ich die Notwendigkeit weitreichender Infektionsschutzmaßnahmen von Anfang an eingesehen habe, war es für mich eine immense psychische Belastung, dass ich über Monate hinweg kaum soziale Kontakte wahrnehmen durfte.

Dabei ging es nicht nur um direkte zwischenmenschliche Kontakte. Mit Schachverein und Fitnessstudio brauche mir wichtige Alltagsstrukturen weg, die mir immer ein wichtiger Halt waren. Diese tiefgreifenden Einschränkungen führten im Winter 2020 / 2021 zu heftigen Rückfällen von Depressivität und Angstzuständen. Ich musste Notfall-Termine bei meiner (damaligen) Psychotherapeutin in Anspruch nehmen, mein Psychiater verschrieb mir erstmals nach vielen Jahren wieder ein Beruhigungsmittel.

Es war auch für mich unstrittig, dass in der Coronazeit Maßnahmen zum Infektionsschutz ergriffen werden mussten. Die überschießende Intensität einiger Maßnahmen und die herablassende, teils sehr autoritäre Art, mit der sie von der Politik kommuniziert wurden, hat mich jedoch zutiefst erschreckt und verängstigt. Begriffe wie „Kontaktbeschränkungen“ oder „Ausgangssperren“ kannte ich aus meiner Kinderheimzeit. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich ihnen im Erwachsenenalter jemals wieder begegnen muss, und doch kam es so.

Menschen mit Angststörungen und posttraumatischer Belastungsstörung können auch vergleichsweise kurze Momente von Einsamkeit als existenzielle Bedrohung erleben. Als Kind von meiner Familie getrennt und für mehrere Jahre ins Heim gegeben zu werden, war für mich mit furchtbaren Gefühlen von existenzieller Verlassenheit, Verzweiflung und fast schon Todesangst verbunden. Diese Gefühle kamen in der Pandemie (durch die vielfältigen Kontaktverbote) wieder in mir hoch, ohne dass ich darauf vorbereitet war.

Diese Flashbacks konnte ich nicht bewusst steuern, ich fühlte mich dabei ähnlich hilflos und ohnmächtig wie früher als Heimkind. Es fühlte sich an, als müsste ich meine Kindheit noch einmal durchleben. In meiner Wahrnehmung steckte ich in einer Art Zeitschleife fest, es war wahrlich alptraumhaft. Teilweise verschwammen die Grenzen von früher und heute, so dass ich regelrecht die zeitliche Orientierung verlor.

Aufgrund der psychischen Belastung war ich ab November 2020 (als der „Lockdown light“ begann) mehrfach krankgeschrieben. Meine Arbeitszeit musste ich im Januar 2021 von Vollzeit auf Teilzeit reduzieren, weil meine Belastbarkeit das nicht mehr anders zuließ. Glücklicherweise hatte (und habe) ich einen verständnisvollen Vorgesetzten. Nach einem ausführlichen, teils sehr persönlichen Gespräch konnte er meine Gründe für die erbetene Arbeitszeitreduzierung verstehen, auch wenn er sie verständlicherweise bedauerte. Die unvermeidlichen Gehaltseinbußen nahm ich notgedrungen in Kauf.

Erst seit Mitte 2023 bin ich soweit, dass ich meine Arbeitszeit ‒ nach dem offiziellen Ende der Pandemie ‒ langsam wieder steigern kann. Mittlerweile leiste ich wieder 90% der regulären Stundenzahl und strebe an, mittelfristig auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren. Ohne Corona wäre dieser Schritt (der sich auch finanziell sehr zu meinen Ungunsten auswirkte) wahrscheinlich nie notwendig gewesen.

Ich weiß, dass es anderen Menschen in dieser Zeit ähnlich erging. Vor allem die drastischen Kontaktbeschränkungen führten bei vielen Menschen mit psychischen Vorbelastungen zu ernsthaften Krisen. Das erlebte ich nicht nur bei mir, sondern auch bei den Teilnehmerinnen einer SHG für traumatisierte Menschen, an der ich bis 2022 teilnahm. (siehe: Selbsthilfe)

Der nachfolgende Link verweist auf die Selbsthilfezeitung (Ausgabe 160 vom April 2021) von KISS Hamburg. Gemeinsam mit einer Kameradin der „SHG Entwicklungstrauma“ stellte ich mich für ein Interview zur Verfügung. Es ging um die Belastungen vortraumatisierter Menschen durch die Beschränkungen der Coronapandemie:

Selbsthilfezeitung KISS Hamburg

Hier noch ein weiteres Interview, an dem ich mit derselben Kameradin für den „Eppendorfer ‒ Zeitschrift für Psychiatrie und Soziales“ (Ausgabe 3 / 2021) mitwirkte:

Eppendorfer ‒ Zeitschrift für Psychiatrie und Soziales“, Ausgabe 3 / 2021

Meiner damaligen Kameradin und mir tat der Gang an die Öffentlichkeit gut, auch wenn sich beide Zeitungen nur an ein eng begrenztes Fachpublikum richteten. Trotzdem hatten wir das Gefühl, wir haben damit getan, was wir konnten.

Vielleicht wird auch durch solche Interviews deutlich: Nicht alle Menschen, die unter den Corona-Kontaktbeschränkungen gelitten haben und darüber öffentlich sprachen, waren „Verschwörungstheoretiker“, denen es an Verantwortungsgefühl und Umsicht mangelte. Diese Differenzierung fehlte mir in der öffentlichen Diskussion oft. Bei Auseinandersetzungen in sozialen Netzwerken wurde auch ich schon in eine Ecke gestellt, von der ich besten Gewissens sagen kann, dass ich mich dort absolut nicht sehe. Das belastete mich zusätzlich.

Generell wäre es aus meiner Sicht besser gewesen, die Ängste der Menschen (sofern sie nicht eingefleischte Querdenkerinnen waren) von Anfang an ernster zu nehmen, statt abweichende Meinungen pauschal als unsolidarisch, rücksichtslos oder verantwortungslos zu brandmarken. Die rein virologische Perspektive hätte nicht der (oftmals) alleinige Maßstab sein dürfen bei der Bewältigung einer so lang andauernden Pandemie. Andere Aspekte (soziale, psychologische, wirtschaftliche usw.) hätten gleichsam in die Entscheidungsprozesse einfließen müssen. Die Politik hätte mehr zwischen den unterschiedlichen Perspektiven (die alle ihre Berechtigung hatten) vermitteln und einen Interessenausgleich anstreben müssen.

Während der Coronapandemie wurden Begriffe aus der schwarzen Pädagogik mit einer gedankenlosen Selbstverständlichkeit wiederverwendet, dass ich ernsthafte Zweifel habe, ob sich unsere Gesellschaft jemals mit der Zeit der schwarzen Pädagogik auseinandergesetzt und sich davon distanziert hat. Die Retraumatisierungen, die ich und andere Betroffene) dadurch erleben mussten, waren gravierend.

Persönlich habe ich den Infektionsschutz immer sehr ernstgenommen. Ich bin dreimal geimpft, trug in Innenräumen ‒ vor allem beim Einkaufen ‒ lange Zeit Maske (auch als es schon nicht mehr verpflichtend war) und vermeide bis heute Menschenansammlungen. Um solche (sinnvollen) Punkte ging es mir nie. Was mich so verärgerte, so ohnmächtig und auch zornig machte, war der Umstand, dass der Infektionsschutz mitunter als Vorwand genutzt wurde, um autoritäre Politik (und Methoden aus der schwarzen Pädagogik) wieder salonfähig zu machen.

Als Beispiel: Menschen in Form von „Ausgangssperren“ zu Hause einzusperren, hat für meine Begriffe nichts mit sinnvollem Infektionsschutz zu tun, denn wem schade ich, wenn ich ganz alleine zu später Stunde draußen spazieren gehen? Das konnte mir bis heute niemand logisch erklären. Deshalb war und bin ich überzeugt: Die Ausgangssperren waren von Anfang an nichts als eine Überreaktion. Damit wollten bestimmte Politiker ihre eigene Hilflosigkeit kompensieren und Härte nach außen demonstrieren ‒ ganz ähnlich, wie ich es früher bei den überforderten Erzieherinnen im Kinderheim erlebte.

Gerade die Angst vor einer nächtlichen Ausgangssperre (an eine ganztägige wagte ich gar nicht zu denken) hat mich damals extrem belastet. Mein abendlicher Spaziergang ist ein ganz wichtiges Ritual für mich. Gerade wenn ich unter Angst und Panikzuständen leide, muss ich mich draußen an der frischen Luft bewegen, weil mir das in der Regel schnell Besserung bringt. Dazu kommen die Erinnerungen an die Kinderheimzeit, wo Ausgangsperren ein furchtbares Instrument zur autoritären Machtdemonstration waren.

Glücklicherweise hatte mich mein behandelnder Psychiater in diesem Punkt schnell beruhigt: Wäre es in meinem Wohnort jemals zu einer Ausgangsperre gekommen, hätte er mir sofort ein ärztliches Attest ausstellt, weil er die Lage ähnlich beurteilte wie ich: Aufgrund meiner Traumatisierung (eingesperrt sein im Kinderheim) sei es zwingend notwendig, dass ich jederzeit an der frischen Luft spazieren gehen darf ‒ notfalls auch spätabends. Über diese Zusage meines Arztes war ich sehr erleichtert.

Rechtlich wäre ich mit einem ärztlichen Attest bei einer Ausgangssperre sicher gut abgesichert gewesen. Vielleicht empfinden Menschen ohne traumatische Vorgeschichte eine nächtliche Ausgangssperre nicht als existenziell bedrohlich, mich aber hat allein der Gedanke daran außerordentlich belastet und einen nicht unerheblichen Teil zur Retraumatisierung beigetragen.

Jede Politikerin, die jemals Ausgangssperren gefordert oder sogar persönlich angeordnet hat, ist bei mir seitdem menschlich unten durch. Auch vorm Staat und seinen Repräsentanten hatte ich zwischenzeitlich jeden Respekt verloren, seitdem Werkzeuge aus der schwarzen Pädagogik wieder zum Repertoire staatlichen Handelns gehörten. Dabei bin ich überzeugt: So wie man Kinder (in den allermeisten Fällen) ohne Gewalt erziehen kann, kann man auch Krankheiten gewaltfrei (ohne Ausgangssperren und dergleichen) bekämpfen. Man muss es nur ehrlich wollen!

Auch weniger dramatische (und durchaus verständliche) Einschränkungen als Ausgangssperren haben mich belastet und zu Flashbacks geführt. Ein gravierender Einschnitt war es zum Beispiel, dass sich mein Schachverein für mehre Monate nicht treffen durfte. Rein kognitiv hatte ich dafür Verständnis, auf emotionaler Ebene löste es dennoch beklemmende Assoziationen aus. Früher im Heim schrieb man mir vor, wie oft ich meine Familie sehen durfte. Jetzt war es plötzlich wieder eine äußere Macht (der Staat), der mir vorschrieb, wie oft ich Menschen sehen darf, die mir wichtig sind. Wieder konnte ich nichts dagegen tun, genau wie früher als Kind!

Bei solch gravierenden Einschränkungen kann ich mir auf rationaler Ebene noch so oft sagen, dass der Hintergrund ein anderer ist: Die belastenden Erinnerungen und das Gefühl, die Vergangenheit noch einmal durchleben zu müssen, brachen trotzdem mit ganzer Wucht wieder durch. Phasenweise wusste ich wirklich nicht mehr: Lebe ich noch in der Gegenwart oder wurde ich wieder in die Vergangenheit der 1980er Jahre zurückgeschleudert?

Um es noch einmal zu betonen: Sinnvoller und gut durchdachter Infektionsschutz (zum Beispiel Maske tragen, Testpflichten, Besucherbegrenzungen bei Großveranstaltungen) sind für mich etwas vollkommen anderes als der Rückgriff auf die schwarze Pädagogik, nur um die eigene Hilflosigkeit zu kaschieren. Vor allem für die Anordnung von Ausgangssperren habe ich bis heute nicht das geringste Verständnis, denn dahinter steckt eine Umkehr aller ethischen Werte von Humanität und Mitgefühl, die unsere Gesellschaft normalerweise ausmachen.

Schon bei der Pandemie, als die ersten Fälle in Deutschland bekannt wurden, hatte ich wahnsinnige Angst davor, irgendwann ‒ als Kontaktperson oder als selbst Infizierter ‒ in häusliche Quarantäne oder Isolation geschickt zu werden. Meine heimliche Sorge war, dass die traumatischen Erinnerungen aus meiner Kindheit dadurch wieder besonders intensiv hervorbrechen. Ich hatte Angst, eine solche Quarantäne (die anfangs noch bei mindestens 14 Tagen lag) gar nicht durchzuhalten; regelrecht wahnsinnig zu werden; einen Nervenzusammenbruch zu bekommen und schreiend aus dem Haus zu laufen.

Über diese Ängste sprach ich bereits im Frühjahr 2020 mit vertrauen Menschen, hauptsächlich mit professionellen Fachkräften. Daraufhin bekam ich schon im Vorfeld überraschende Unterstützungsangebote, die ich nicht für möglich gehalten hätte.

  • Meine damalige Therapeutin hatte mir zugesagt, mich im Quarantänefall mit regelmäßigen (notfalls täglichen) Telefon- und Videokontakten zu unterstützen.
  • Mein Neurologe und Psychiater verschrieb mir ein Beruhigungsmittel, damit es nicht zu Angst- und Panikattacken kommt.
  • Nach einigen Telefonrecherchen fand ich heraus, dass auch der sozialpsychiatrische Dienst sozialpädagogische Begleitung anbietet für Menschen, die unter häuslicher Quarantäne oder Isolation stehen.

Mit dem sozialpsychiatrischen Dienst hatte ich daraufhin ein längeres Telefongespräch, wo man meine Ängste sehr ernst nahm. Dieses Gespräch trug viel dazu bei, meine Quarantäneangst ein ganzes Stück abzumildern. Leider war über solche Hilfsmöglichkeiten in der Öffentlichkeit wenig bekannt, ich musste das alles in Eigeninitiative herausfinden.

Seitdem bin ich umso mehr davon überzeugt, dass es mit Vorwürfen und moralischen Verurteilungen der „Corona-Kritiker“ nicht getan ist. Es hätte viel deutlicher kommuniziert werden müssen, dass niemand mit seinen Ängsten (egal ob berechtigt oder unberechtigt) allein gelassen wird. Die Botschaft hätte sinngemäß lauten müssen:

 „Ja, viele Maßnahmen zur Corona-Pandemie können hart, belastend und entbehrungsreich sein. Es wird aber in dieser schweren Zeit niemand allein gelassen. Wem es psychisch schlecht geht und wer es aus eigener Kraft nicht schafft, bekommt Hilfe und Unterstützung!“

Es gab Menschen (sogar von amtlicher Seite), die mir genau dieses Gefühl vermittelt haben und dafür bin ich dankbar. Ich bin überzeugt, nur mit solchen Botschaften kann man Menschen erreichen und mitnehmen. Wer sich verurteilt und moralisch an den Pranger gestellt fühlt, wird sich umso mehr in seine eigene Welt zurückziehen. Ängste benennen und miteinander im Gespräch bleiben ist der einzige Weg, der alle Seiten weiterbringt.

Natürlich kam der Zeitpunkt, an dem es auch mich erwischte und ich eine Corona-Infektion durchmachen musste ‒einschließlich der unvermeidlichen, amtlich angeordneten Isolationspflicht. Es war im Dezember 2022, also erst relativ spät. Angesteckt hatte ich mich mutmaßlich am Arbeitsplatz, wo zu diesem Zeitpunkt fast der gesamte Raum infiziert war. Glücklicherweise betrug die gesetzlich vorgeschriebene Isolationszeit (eine Kontaktpersonenquarantäne gab es nicht mehr) zu diesem Zeitpunkt nur noch fünf Tage.

Ich überstand die unvermeidliche Isolationszeit überraschend gut. Die ersten drei Tage war ich derart müde und geschwächt, dass ich fast durchgängig schlief und gar nicht das Bedürfnis hatte, mich zu bewegen oder nach draußen zu gehen. Ab dem dritten Tag kam ich langsam wieder zu Kräften. Ich ließ es mir nicht verbieten lassen, spätabends noch vor die Tür zu huschen und die gelben Säcke an den Straßenrand zu stellen ‒ es war gegen 23 Uhr, als weit und breit kein Mensch mehr zu sehen war. Auch am nächsten Tag (es war Quarantänetag vier) unternahm ich zu später Stunde einen einsamen Spaziergang abends um den Block.

Was das Überraschende war: Niemand aus meiner Familie hat mich je für diese einsamen Ausflüge zu nächtlicher Stunde verurteilt ‒auch meine Therapeutinnen nicht. Selbst die Mitarbeiterin vom sozialpsychiatrischen Dienst (der ja dem örtlichen Gesundheitsamt angegliedert ist) machte den mir keine Vorwürfe, sondern meinte am Telefon zu mir:

„Wenn Sie mir gesagt hätten, Sie waren auf eine Party, dann würde ich sie jetzt ausschimpfen, aber abends ganz allein die gelben Säcke vor die Tür stellen und eine Runde um den Block laufen, damit haben sie doch niemandem geschadet und sich verantwortungsvoll verhalten!“

Über diese Aussage war ich gleichermaßen erfreut wie erstaunt. Genau genommen darf man die eigene Wohnung während einer gesetzlich angeordneten Isolation ja überhaupt nicht verlassen; nicht einmal für einen kurzen Spaziergang ganz allein in der Nacht. Anscheinend wurden die diese Regeln in der Realität ‒ zumindest in der Spätphase der Pandemie ‒jedoch nicht immer so streng ausgelegt, wie sie auf dem Papier standen. Darüber war ich ausgesprochen dankbar und erleichtert. Mir schien es fast, als wenn mir nun endlich ein kleines Stückchen umsichtiges und eigenverantwortliches Handeln zutraute, was ich mir in der Kindheit immer so verzweifelt gewünscht hatte.

Glücklicherweise hatte ich einen milden Verlauf, blieb aber nach Ablauf der fünftägigen Isolation noch für einige Tage positiv. In dieser Zeit war ich krankgeschrieben (auch wegen der psychischen Belastung) und ging ausschließlich mit Maske nach draußen. Zum Weihnachtsfest war ich wieder genesen und soweit bei Kräften, dass ich meinem Alltag wieder uneingeschränkt nachgehen konnte.

Nach drei schweren Jahren habe ich mich heute (2023) wieder soweit stabilisiert, dass die zwischenzeitliche Retraumatisierung durch Corona weitgehend zurückgegangen ist. Ich merke jedoch, dass mich diese Zeit viel Kraft gekostet hat. Es wird wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis ich vollumfänglich zu alten Kräften zurückgefunden habe.

Auch das Thema Partnersuche musste während der Coronazeit (bis auf wenige Online-Kontakte) fast vollständig einstellen, weil ich absolut nicht die Kraft dafür hatte. Lediglich im Sommer 2020 gab es ein Date mit einer Dame, die ich online kennengelernt hatte. Der Kontakt hielt bis Ende des Jahres, danach ging es wieder auseinander.

Glücklicherweise gab es in der Coronazeit mit all ihren Belastungen Menschen, die mich in der Not nicht allein gelassen haben. Auch dank professioneller Kräfte (mein Psychiater, meine Psychotherapeutin, meine Heilpraktikerin und den sozialpsychiatrischen Dienst) wurde ich gut unterstützt, andernfalls wäre meine psychische Krise wahrscheinlich noch viel schlimmer ausgefallen.

Vielleicht kam mir dabei ein Umstand zugute, den ein Therapeut einst mit den Worten beschrieb: Es ist ja eine Ihrer Stärken, sich bei Bedarf Hilfe zu suchen.“ Ja, glücklicherweise ist das eine meiner Stärken, von der ich in Zeiten der Coronapandemie profitieren konnte; die wahrscheinlich auch mein psychisches Überleben während einer Retraumatisierung gesichert hat, die ich in dieser Form noch nicht erlebt hatte.

Man kann nur für uns alle hoffen, dass die Coronapandemie tatsächlich vorbei ist ‒ und dass es hoffentlich nie wieder zu derart scharfen (und teils überzogenen) Maßnahmen kommen wird wie in den Jahren 2020 und 2021. Sollten die Coronalage irgendwann noch einmal schärfere Maßnahmen notwendig erscheinen lassen, dann wünsche ich mir zumindest in der Kommunikation mehr Taktgefühl gegenüber Menschen (auch Heimkindern), die durch Begriffe wie „Kontaktbeschränkungen“ oder „Ausgangssperren“ vortraumatisiert sind.

Und selbst im härtesten Lockdown muss es immer noch Hilfsangebote geben für Menschen, die psychisch daran zu zerbrechen drohen; die im schlimmsten Fall sogar suizidgefährdet sind und andere Folgeschäden entwickeln. Ich persönlich hatte diese Hilfen, doch sie wurden in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt gemacht, dabei hätte man damit möglicherweise sogar Menschenleben retten können.